Die additive Fertigung (Additive Manufacturing) zeichnet sich durch den schichtweisen Aufbau eines dreidimensionalen Bauteils aus. Vor allem in den Branchen Luftfahrt und Automobil bietet die additive Fertigung Vorteile. Im Gegensatz zu konventionellen Fertigungsverfahren, wie Guss oder spanenden Verfahren, kann durch den schichtweisen Aufbau des Bauteils vor allem eine große Freiheit in der geometrischen Gestaltung erreicht werden. Diese Freiheit ermöglicht es komplexe Strukturen zu erstellen, die durch konventionelle Verfahren nicht herstellbar sind. In Verbindung mit einer Topologieoptimierung, durch die die beste Materialverteilung innerhalb eines Designraums identifiziert wird, können Mechanik und Gewicht der Bauteile optimiert werden. Daraus resultieren eine Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und Emissionsausstoß. Solche Optimierungen können auch zur Verbesserungen der Wärmeleitung und Strömung innerhalb von Bauteilen eingesetzt werden.
Für die Verarbeitung von Metallen ist das pulverbettbasierte Laser-Strahlschmelzen (PBF-LB/M) ein etablierter Prozess. Bei diesem wird ein metallisches Pulverbett durch die Wärmeenergie eines Lasers Schicht für Schicht dort aufgeschmolzen, wo das Bauteil entstehen soll. Die Anzahl der angebotenen Metallwerkstoffe für das Laser-Strahlschmelzen ist derzeit noch begrenzt. Grund hierfür sind Schwierigkeiten bei der Verarbeitung der Metalle. Vor allem höherfeste Aluminiumlegierungen sind schwer verarbeitbar und neigen zu Rissbildung im Prozess. Darüber hinaus ist das Verhalten des additiv gefertigten Aluminiums für Hochtemperaturanwendungen, die bei Aluminium aufgrund des niedrigen Schmelzpunkts bereits bei 100°C beginnen, wenig erforscht.
Durch die hohen Temperaturen bis ca. 4000 K und Abkühlraten bis 107 K/s entsteht durch den additiven Fertigungsprozess eine charakteristische Mikrostruktur. Diese unterscheidet sich grundlegend vom Gefüge der konventionellen Fertigungsverfahren. Die Unterschiede der Struktur im Rand- und Zentrumsbereich der Schweißbahnen bewirken, dass in der X-Y-Ebene die einzelnen Bahnen des Lasers und in der X-Z- bzw. Y-Z-Ebene die Schmelzbäder erkennbar sind. Unter den höherfesten Aluminiumlegierungen ist Scalmalloy® (Al-Sc-Mg) mittlerweile etabliert. Im gebauten Zustand besitzt diese Festigkeiten von ca. 465 MPa Zugfestigkeit. Grund hierfür sind Al3Sc-Ausscheidungen an den Korngrenzen. Im Gegensatz zur AlSi10Mg-Legierung mit moderater Zugfestigkeit von ca. 375 MPa kann bei dieser Legierung die Festigkeit durch Wärmebehandlungen gesteigert werden. Kuo et al. haben den zugehörigen Mechanismus unter Einsatz von TEM-Aufnahmen genauer untersucht: Im gebauten Zustand liegen 12 nm große Al3Sc-Ausscheidungen vorrangig in den Schmelzbadgrenzen vor. Eine Wärmebehandlung bei 325 °C bewirkt, dass sich diese Ausscheidungen gleichmäßig in der gesamten Struktur verteilen und zur Festigkeitssteigerung beitragen. Mit der Dauer der Wärmebehandlung vergröbern die Ausscheidungen leicht (20 nm nach 48 h bei 325 °C), wodurch die Festigkeit sinkt, aber über dem unbehandelten Niveau verbleibt. Da die Ausscheidungen thermisch bis zu ca. 350 °C nahezu stabil sind, hindern sie das Kornwachstum und führen zu hohen Festigkeiten bei erhöhten Temperaturen, weshalb sie den Einsatz der Legierung unter Hochtemperaturbedingungen ermöglichen.
Neben den Al-Sc-Mg-Legierungen sind weitere Hochleistungslegierungen in Entwicklung. Hierfür wird eine Modifikation konventioneller Legierungssysteme beispielsweise mit Nickel, Titan und Zirconium durchgeführt. Ein weiteres Beispiel ist das von Airbus entwickelte Scancromal® (Al-Sc-Cr). Palm et al. zeigen, dass diese Al-Sc-Variante im Gegensatz zu Scalmalloy® gröbere Körner besitzt, die sich über die Schmelzbadgrenzen hinaus bilden. An den Schmelzbadgrenzen bilden sich außerdem Al-Cr-Partikel, deren Verhalten und Auswirkung noch unerforscht sind. Durch Ausscheidungshärtungen können derzeit ebenfalls höhere Festigkeiten mit bis zu 400 MPa erreicht werden.
Bisher bestehen Defizite beim Verständnis der metallurgischen Vorgänge und Gefügestrukturen der additiv gefertigten Metalle. AlSi10Mg wurde mittlerweile hinsichtlich Prozessparameter, Mikrostruktur, Wärmebehandlung und mechanischer Kennwerte (statisch und dynamisch) in der Literatur ausgiebig behandelt. Im Gegensatz dazu sind die Al-Sc-Mg- und besonders die Al-Sc-
Cr-Legierungen noch weniger detailliert erforscht. Es bedarf weiterer Untersuchungen zu den auftretenden Phasen und Ausscheidungen bei verschiedenen Temperaturen, da diese die mechanischen Eigenschaften maßgeblich beeinflussen. Speziell Untersuchungen des Hochtemperaturverhaltens dieser Aluminiumlegierungen sind in der Literatur bisher nur sehr begrenzt vorhanden. Um die Vorteile der Technologie besser auszunutzen, muss vor allem das Prozessverständnis und das Verhalten des Legierungssystems besser verstanden werden.
Aufgrund der genannten Umstände soll in diesem Promotionsvorhaben das Hochtemperaturverhalten von Al-Hochleistungslegierungen genauer untersucht werden. Hierfür werden anhand der genannten Legierungen Scalmalloy® und Scancromal® im Vergleich mit der weniger festen AlSi10Mg die Gefügestruktur und die mechanischen Eigenschaften im unbehandelten Zustand ermittelt. Um das Hochtemperaturverhalten zu untersuchen, werden diese Eigenschaften gezielt nach verschiedenen Wärmebehandlungen überprüft. Durch diese werden das Gefüge, die auftretenden Ausscheidungen und mechanischen Eigenschaften verändert. Dabei sollen für eine Erweiterung des Prozessverständnisses der Fertigungstechnologie insbesondere die metallurgischen Vorgänge untersucht werden.